Wenn der Fußball zur Nebensache wird
06.04.24, 20:30 Uhr, KSC vs. FCSP 2:1

Einleitung: Puh. Zurück aus Karlsruhe. Mir fällt es schwer das alles in Worte zu fassen. Die Vorfreude auf das Spiel, dann die schockierende Schreckensnachricht über den Zusammenbruch eines FCSP-Fans während der Anreise und seinem ungewissen Gesundheitszustand. Das überschattet natürlich alles. Sorgen, Ungewissheit, Stille. Keine Choreo, kein organisierter Support - klar, wer hat in so einer Situation dazu noch Lust. Die Gedanken sind - gerade im nahen Umfeld - eh ganz woanders. Dann die Durchsage des Stadionsprechers, dass es der Person schlecht ginge. Der Applaus des gefühlt ganzen Stadions, als "gute Besserung" gewünscht wird. Die 10-15 Minuten nach Anstoß erfolgte Solidaritätsbekundung der KSC Ultras mittels schnell erstellten Banners: "Wichtiger als das Spiel, ist das Leben. Ultras für immer!" Ich bin kein Ultra und natürlich ist es nebensächlich, welcher Gruppe die Person angehört. Ich kenne die Person vermutlich auch nicht, aber irgendwie tut diese spontan und schnell erstellte Soli-Bekundung ein Stück gut. Selbst mir, der sich zwar verbunden- und mitfühlt, aber natürlich trotzdem nicht so nah dran ist, wie viele andere aus dem direkten Umfeld der Person. Ein Stück Trost, ein Stück Beistand, Solidarität. Diejenigen, die der Person deutlich näher stehen als wir: man kann ihre Sorgen sehen und spüren. Selbst wir sind geschockt, wie muss es denen erst gehen.

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Dann dieses Spiel. Eigentlich ist gar kein Platz für andere Emotionen, doch dann werden wir in Situationen reingerissen, die für Wut, Hoffnung, Hinundgerissenheit und alles mögliche sorgen, was so ein Spiel maximal in dieser Hinsicht bieten kann. Eine unfassbar schlechte Schiedsrichter- und VAR-Leistung (und ich bin der letzte, der da Kritik äußert), ein aberkanntes Tor, unberechtigtes Gelb-Rot gegen Hauke, ein bis drei nicht gegebene Elfmeter (vor allem der gegen Saliakas muss lt. Daheimgebliebenen an den TV-Geräten wohl glasklar gewesen sein), VAR-Checks und keine VAR-Checks, alles ist dabei. Die Emotionen fühlen sich nicht richtig an, aber sie sind auch nicht komplett zu unterdrücken. Und zwischendurch immer wieder die Gedanken, dass es der betroffenen Person hoffentlich den Umständen entsprechend gut geht und sie das alles schadlos übersteht (Anm.: Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir auch keine neue Info bekannt - die Daumen sind weiter fest gedrückt!).

Ich habe mich trotzdem entschieden, diesen Bericht darüber hinaus weiter zu schreiben. Ob ich ihn schreibe oder nicht, ändert letztendlich nichts. Vielleicht wird er etwas kürzer und weniger (selbst)ironisch als sonst, zumal die Motivation auf Grund der Umstände natürlich auch nicht die Größte ist.

Und das geht so:

Kurz vor der Abfahrt werden wir noch fündig: Sabbi hat seit langer Zeit Probleme mit dem Fuß, mal ist es besser, mal weniger gut. Für dieses Spiel haben wir seit langem endlich mal wieder Stehplatzkarten eingeplant und im Ticketshop mit viel Glück ergattern können. Aber ihr Fuß muckt, je näher es in Richtung Wochenende geht, wieder deutlich mehr. Dann kommt das Tauschangebot rein (danke an P.!). Auch wenn es Reihe 41 - wie sich später herausstellt die oberste - ist. Aber ein Fußmarsch ist dem Fuß noch immer deutlich lieber, als 2,5 Stunden + X stehen. Soviel wissen wir längst. Und klar heißt das nicht dauerhaft sitzen, aber es besteht die Möglichkeit, es zwischendurch mal zu tun. Und ich persönlich finde letzte Reihe eh geil. Ungestörte Stehmöglichkeit und kein Bier im Nacken sind jedenfalls höchstwahrscheinlich.

Anstrengend ist es allerdings auch schon deutlich früher: Überall Cops, ebenso überflüssig wie nervig. Schon in der prallgefüllten City muss das gemeine Fußvolk öfter mal ausweichen, damit sie sich ihren Platz mit ihren Fahrzeugen bahnen können. Das gleiche im Schloßpark, durch den mensch zum Wildparkstadion gelangt. 27 Grad, da will gefühlt Jede*r öffentlich nen Kaffee trinken, Eis essen oder sonstwas.

Wir sind wie gewohnt früh am Stadion. Zwangsaufenthaltsort ist der eingezäunte Gästeparklplatz, in den wir "gebeten" werden, auch ohne Auto. Immerhin: Hier wurde im Rahmen des Stadionneubaus mal mitgedacht. Es gibt tatsächlich richtige Stadionlike-Klos und einen ebenbürtigen Verköstigungsstand, wo die Bediensteten anfangs jedoch völlig überfordert sind. Es gibt nicht einmal Wechselgeld und die Belegschaft ist genötigt, in ihren privaten Portemonnaies nach Change zu suchen. Bei 4,90 statt 5,10 pro Bier (+2 Euro Pfand) hätten sie es garantiert leichter gehabt.

Noch ist die Atmosphäre ausgesprochen locker und gelassen, es herrscht Vorfreude und Entspanntheit. Dann rein, den Lappen an den Zaun gehängt und ohne Fahrstuhl oder Rolltreppe ab in Reihe 41. Die Sicht ist gut, es fehlen nur ein WC und ein Verköstigungsstand hinter der letzten aller Reihen (ok, zugegeben: Würde es diese an dieser Stelle tatsächlich geben, würden wir eher kotzen, als dass wir es an diesem Tag praktisch fänden).

Was auf den Sitzplätzen ja tatsächlich häufig sehr nett ist (aber auch nicht immer so), ist so eine Art spontane Kleinhood, die sich unter den Minigrüppchen a 1-2 Personen, bildet. Erst begrüßt uns der Vater mit Sohn (die eh einen auffällig, relativ großen Anteil einnehmen) direkt neben uns freudig, fragt ob wir versorgt sind oder ob er noch was mitbringen soll (Fußeinschränkungsunabhängig). Von drei Reihen tiefer ruft ein Typ aus Nürnberg hoch, dass man sich doch letztens nach dem Spiel in Elversberg in einem veganen Café in Saarbrücken gesehen habe. Dort hat es angesichts der zu erkennenden Vereinszugehörigkeit nur zu einem gegenseitigen zunicken gereicht; heute freuen wir uns, uns wiederzusehen. Weitere nette Schnacks mit Leuten um uns herum, mit denen wir durchaus auch gerne ein Getränk an der Theke nehmen würden. Späteres umfangreiches Abgeklatsche nach den Toren, bzw.... am Ende dann doch nur eins und eine Runde zu viel abgeklatscht. Natürlich anders als Stehplatz, aber dennoch ne gute Atmosphäre in der unmittelbaren Nähe und zum Glück auch null Sprüche, die gar nicht gehen, aber auch in unseren Reihen viel zu oft vorkommen.

Wenig geil die Stadionbeschallung. Anfangs noch ganz ok, dann kommt irgendwann das Vereinslied. Keine Ahnung, was Helene Fischer dafür bekommen hat. Es geht zumindest stark in diese Richtung. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt erreicht uns dann auch die Schreckensinfo und die Stimmung kippt sofort. Gerade noch megabock auf das Spiel, jetzt nur noch Fassungslosigkeit, Sorgen und ein Stück Leere.

Die Choreo der Wild Boys Karlsuhe, die die ganze Hintertortribüne bedeckt (und das gleich doppelt), ist große Klasse. Dazu der gleichnamige Klassiker von Duran Duran. So sehr der Name auch mäh ist. Dazu verirrt sich eine Fledermaus über unseren Köpfen. Hoffentlich hat sie den Weg nach draußen gefunden.

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Was folgt habe ich bereits in der Einleitung geschrieben. Ich habe da oben in der letzten Reihe - mit direktem Zugang neben mir auf den potentiell zusätzlichen Stehbereich hinter der letzten Reihe - viel Bewegungsfreiheit und die nutze ich, wenn das stehen alleine nicht mehr hilft. Sei es durch hin- und hergelaufe, Schläge gegen den Betonpfeiler oder sonstwas. Ich bin trotz der Schreckensnachricht, die immer deutlich mitschwingt und auch bei mir über allem schwebt, irgendwie "im Spiel". Zu viele Situationen, die extreme Emotionen in alle möglichen Richtungen hervorrufen.

Die Karlsruher:innen (also nicht nur die Boys, hoffe ich zumindest) sind angesichts der Stille bei uns natürlich extrem laut zu hören. Zwischendurch aber auch dort immer mal wieder schweigende Momente. Wir deuten das als Akt der Solidarität.

Der Spielverlauf: siehe Millernton, da ist wirklich alles gesagt und dann der Abpfiff. Zu dem eh viel wichtigeren Unglück bei der Anreise gesellt sich große Enttäuschung. Für Wut ist jetzt irgendwie kein Platz mehr.

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Die Abreise über den Parkplatz verläuft ein Stück beschwerlich, da wir zunächst zur Einfahrt gehen, da wo wir halt auch reingehen mussten und wo jetzt keine Autos mehr durch müssen. Dort werden wir aber trotz kurzer Diskussion nicht raus gelassen und müssen uns stattdessen durch die Dunkelheit deutlich gefährlicher mit den Autos durch die enge Ausfahrt quetschen. Aber mit Logik haben manch Ordner:innen-Einsätze (hier allerdings nur Ordner) ja eh nicht immer was zu tun. Dafür dürfen wir dann nochmal 100 Meter an ausparkenden Autos den Parkplatz entlang latschen, müssen dann den Zaun von der anderen Seite wieder zurück und somit am verschlossenen Tor dann noch mal von der anderen Seite vorbei gehen. Am fehlenden Schlüssel lag es nicht, da das Tor unmittelbar vor unserer Nase verschlossen wurde, da immerhin noch ein stark humpelnder FCSP-Fan durchgelassen wurde. Ja, absolute Peanuts im Vergleich zu der Gesamtscheiße, aber da es so ein abschließender kleiner Zusatznervfaktor war, sei auch das am Rande erwähnt:

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Durch den Schloßpark geht es zurück zu unserem Pennplatz. Auf Bier haben wir angesichts der Geschehnisse keinen Bock mehr und sind trotzdem froh, nicht direkt nach Hause düsen zu müssen. ´ne Mütze Schlaf tut gut. Wir drücken weiter die Daumen und hoffen, dass es bald Entwarnung gibt!